Encyclopaedia of Tuning

© 2004 Tonalsoft Inc.



(Möllendorff - Musik mit Vierteltönen) (Moellendorff - Music With Quarter Tones)


English translation ©2001 by Klaus Schmirler
webpage and MIDI-files ©2001 by Joe Monzo

[- 40 -]

Nachlese

Epilogue

Es wäre nun noch so mancherlei zu erwähnen, was bisher aus Mangel an Berührungspunkten zurückgestellt werden mußte. Da ich meine Leser jedoch nicht allzu lange mehr langweilen möchte, so will ich alles noch Ausstehende in möglichster Kürze behandeln. In Klammern bemerke ich dazu: es ist trotzdem noch eine ganze Menge! Auf die Frage z.B.: wie nun wohl die neuen Intervalle und die aus ihnen sich aufbauenden neuen Harmonien zu benennen wären, will ich überhaupt nicht eingehen, da hierfür doch wohl nur die allerengsten Fachkreise Interesse haben dürften. There is still many a thing to be mentioned that had to take the back row for its lack of points of contact. As I don't want to bore my readers any longer, however, I would like to treat the pending issues in all possible shortness. In parentheses I cannot but remark: it is still quite a lot! I'd like to skirt the question, e.g., of how the new intervals and the new harmonies building up from them would probably have be to be designated, since only the most inside circles of experts might be interested.
Gegen einige Vorwürfe, die man dem neuen System gemacht hat, muß ich es jetzt aber notgedrungen noch mit wenigen Sätzen verteidigen. Zwar gehen fast alle diese Vorwürfe von Leuten aus, die nie einen einzigen Viertelton wirklich gehört haben, man könnte sie deshalb als Irrtümer (verzeihliche oder unverzeihliche) einfach auf sich beruhen lassen. Da aber bekanntlich nichts in der Welt schwerer auszurotten ist, wie gerade die Irrtümer, besonders, wenn sie, wie hier, auf "blinder Meinung" beruhen, so muß ich wohl oder übel dennoch auf diese Vorwürfe eingehen. I feel I have to defend the new system in a few sentences against some reproaches which were made against it. It is true that almost all these reproaches come from people who have never really heard one single quarter tone, they could therefore be done away with as (pardonable or inexcusable) errors. But since we all know that nothing in world is more difficult to exterminate than these errors, particularly, if they are based on "blind opinion" as here, I have to deal with these reproaches, for better or worse.
Der erste derselben lautet: Durch Musik mit Vierteltönen würden die Menschen noch nervöser gemacht werden, als sie es jetzt schon sind! The first of them is: Mankind will become still more nervous than they already are by music with quarter-tones.
Darauf wäre zu erwidern: Die Musik an sich macht die Menschen überhaupt nicht nervös: viele schreiben ihr ja ganz im Gegenteil sogar eine nerven *beruhigende* Kraft One would answer that: Music itself actually does not make men nervous at all; on the contrary, many ascribe to it a soothing power
[- 41 -]
zu und möchten sie deshalb bei manchen Leiden geradezu als reguläres Heilmittel angewandt sehen. Nur durch *schlechtes* oder *andauerndes* Musizieren können Menschen allerdings nicht bloß nervös, sondern einfach rasend gemacht werden. Schlechte und dauerhafte Musik kann man aber sowohl mit als auch ohne Vierteltöne verüben. Das Vierteltonsystem als solches wird also ebensowenig an etwaigen Tobsuchtsanfällen geschätzter Anwohner schuld sein können wie Musik auf der bisherigen Basis. Nur immer die Komponisten oder, noch häufiger wohl: die "kunstbegeisterten" Ausführenden waren die Missetäter. Da nun aber zu hoffen steht, daß mit zunehmender Komplizierung der Technik, wie sie ja die Einführung des bichromatischen Systems zweifellos bedeutet, sich auch immer weniger *Unberufene* mit Musik befassen werden, so dürfen wir desgleichen hoffen, daß nun auch die armen lieben Nächsten allmählich immer weniger mit Tonfluten seitens ihrer Umwelt überschwemmt werden werden. Die Musik mit Vierteltönen würde somit die Menschen nicht nur nicht nervöser machen, sondern ganz im Gegenteil (wenn auch nur "im Nebenberuf") sogar noch ein Beträchtliches zur *geringeren* Reizung der menschlichen Nerven beitragen. and would practically like to see it applied as a regular cure for some complaints. It is just *bad* or *continuous* music making that can make men not only nervous, but plain furious. But bad and incessant music can be perpetrated both with and without quarter-tones. So the quarter tone system as such will be just as little to blame for the possible tantrums of our estimated neighbors as music on a traditional basis. The culprits were always the composers or probably more often the performers, enthused by the art. But since there is reason to believe that less people will feel called upon to engage in music when its technical aspects have become more complicated, as is undoubtedly the case after the introduction of the bichromatic system, we may also hope that our poor and beloved neighbors will be inundated by environmental sound washes less and less. Music with quarter-tones would thus not only not make mankind more nervous, but would on the contrary even contribute to a considerably *smaller* excitement of the human nerves (even if that is only its "part time job").
Der zweite Vorwurf lautet: Durch die Vierteltöne würde das ganze temperierte System abgeschafft werden! The second reproach is: Quarter tones wll eventually abolish the whole tempered system.
Zur Widerlegung brauche ich mich eigentlich nur auf alles bisher Gesagte zu berufen. Ich will jedoch zusammenfassend noch einmal bemerken: Unser altes System bleibt nicht nur völlig unangetastet, vielmehr müssen im Interesse der Symmetrie nun natürlich auch die neuen Stufen wieder temperiert gestimmt werden. Wir erhalten so *zwei* temperierte Systeme, die nur eben um einen Viertelton voneinander entfernt liegen. Das temperierte, das Muttersystem ist also keineswegs totgeschlagen worden, sondern hat vielmehr noch ein Junges bekommen! For refutating this I need do nothing more than to refer to everything said so far. Summarizing it, I only want to state once more: not only does our old system remain completely untouched, on the contrary, for reasons of symmetry the new steps abviously have to be tuned in the tempered system, too. This way we get *two* tempered systems, but differing from each other by a quarter-tone. The tempered system, its mother, has by no means been struck dead but has brought forth a young one instead!
Vorwurf Nr. 3: Infolge des Vorhandenseins von Vierteltönen würde alle bisherige Musik umkomponiert werden müssen! Reproach No. 3: Due to the presence of quarter-tones all past music will have to be recomposed!
[- 42 -]
Hier handelt es sich nun einfach um radikalen Unsinn! An der Herrlichkeit der Werke aller unserer Meister soll und darf natürlich auch nicht eine Note geändert werden, nur den neuen, den kommenden Meistern wird mit den Vierteltönen ein neues Material an die Hand gegeben. Sie brauchen es deshalb aber keineswegs in jedem Takt, nicht einmal in jedem Werk zu verwenden. Ja, sie können es schließlich überhaupt ganz links liegen lassen, wenn sie wollen! Also nicht einmal die Meister der Zukunft werden durch die bloße Existenz der neuen Stufen zu irgend etwas *gezwungen* sein, geschweige denn, daß deshalb in die Werke unserer *alten* Meister auch nur ein einziger Viertelton eingeschmuggelt zu werden braucht. Eine solche Tat müßte man jedenfalls als "Sünde wider den heiligen Geist der Kunst", mindestens aber als "schwere Urkundenfälschung" bezeichnen! This is simply a case of radical nonsense! Of course, not one note shall and must be changed in the glorious works of all our masters, instead the new, coming masters are handed new material in the shape of the quarter tones. This absolutely does not mean that they need to use it in every measure, not even in each work. Yes, they may bypass it altogether, if they want! So not even the masters of the future will be forced into anything by the mere existence of the new scale steps, quite apart from smuggling just one quarter tone into the works of our old masters. Such an act would merit the name of "sin against the holy spirit of art" anyway, or at least "aggravated forgery of documents "!
Vorwurf Nr. 4: Die Einführung von Vierteltönen bedeutet das Zurücksinken in primitive, ja barbarische Zustände niederer Kultur! Reproach No. 4: The introduction of quarter tones means reverting into a primitive, barbarian state of low culture!
Nun, wenn das zuträfe, dann hätte nie zu irgendeinem gerade gebräuchlichen System noch irgendein neuer Ton hinzugefügt werden dürfen, dann hätte die Musik schon angefangen, barbarischer zu werden, als man der urältesten fünfstufigen Skala c-d-e--g-a--(c) noch die beiden Töne _f_ und _h_ einfügte; dann wäre die Musik noch mehr heruntergekommen, als man im frühen Mittelalter daran ging, für die Kadenzen der Kirchentonarten fast jeden der nun vorhandenen sieben Töne chromatisch zu verändern, dann wäre endlich unsere ganze heutige Musik, also schon seit Claudio Monteverdi etwa, das heißt: seit anno 1600!! der Zustand reinsten Menschenfressertums! Aus der Leichtigkeit, mit welcher sich dieser Vorwurf ad absurdum führen läßt, ersieht man, mit welcher Leichtfertigkeit er gemacht wurde. Übrigens kannten ja bereits die alten Griechen Vierteltöne, und die zählen wir im allgemeinen doch nicht gerade zu den Kannibalen! Now, if this applied, then it should never have been allowed to add any new tone to any customary system of a time, then music would already have begun to become more barbaric when the two tones F and B were inserted into the most ancient pentatonic scale C-D-E--G-A--(C); then music would have been debased much more in the early Middle Ages when they started to change almost every one of then existing seven notes chromatically for cadences in the church modes, then, finally, would the whole present state of music, i.e., already since about the time of Claudio Monteverdi, since 1600 A.D.!! be one of purest cannibalism! The ease with which this reproach can be reduced ad absurdum shows the thoughtlessness that produced it. By the way, the ancient Greeks already knew quarter tones, and yet we do not exactly count them among the cannibals!
[- 43 -]
Vorwurf Nr. 5 mit einigen Unterabteilungen: Das Viertel- tonintervall wäre viel zu klein, um zwei benachbarte Töne gehörig voneinander unterscheiden zu können! Reproach No. 5 with some subsections: The quarter-tone interval is much too small for one to be able to differentiate between two neighbouring tones!
Nun, das Unzutreffende auch dieser Befürchtung hat ja alles bisher Gesagte wohl schon bewiesen. Deshalb nur noch dies Wenige darüber: Das musikalische Ohr hört mit Leichtigkeit sogar den winzigen Unterschied zwischen einer reinen und einer temperierten Quinte. Demgegenüber ist das Vierteltonintervall aber ein wahrer Riesenschritt, und mit entsprechender Leichtigkeit ist es demgemäß auch auf- zufassen. Well, the fact that this fear is unfounded should already have been proven by everything said before. Therefore just this little about it: The musical ear even hears the tiny difference between a pure and a tempered 5th with ease. Compared to this, however, the quarter tone interval is truly a gigantic step and can be perceived with appropriate ease.
Aus der fälschlich angenommenen übergroßen Kleinheit des Vierteltonintervalls haben andere Leute nun aber noch weiter folgern zu müssen geglaubt, mit Hilfe der Vierteltöne sollten die Fehler unserer Temperatur verbessert werden! Wie aus soeben Gesagtem erhellt: der Vierteltonschritt ist dazu viel, viel zu groß. Glücklicherweise! muß man sagen, denn sonst würden Vierteltöne für Zwecke der Komposition ja gar nicht in Betracht kommen können. Die Ärmsten haben sich bei ihrer Folgerung eben ganz gewaltig ver- rechnet! Oder was wahrscheinlicher: sie haben überhaupt nicht gerechnet! From the erroneously assumed exceeding smallness of the quarter tone interval other people felt compelled to believe that the errors of our temperament are improved with the help of the quarter-tones! As the just said illuminates: the quarter-tone step is much, much too large for that. Fortunately! one must say, since otherwise quarter tones would not be suitable for purposes of composition at all. The poor ones did a very serious miscalculation for their deduction! Or more probably: they did no calculation at all!
Manch einer hat sich deshalb auch noch zu der Weis- sagung verstiegen, man würde Vierteltöne gar nicht ein- stimmen können! Some other ones also presumed for this reason that quarter tones could not be tuned at all!
Ach, wenn bei der ganzen Erfindung, oder vielleicht sage ich im Hinblick auf die alten Griechen besser: bei der ganzen Neu-Entdeckung doch alles so leicht zu bewerk- stelligen gewesen wäre, wie gerade das Einstimmen der neuen Stufen! Jeder leidlich beschlagene Stimmer von Tasten- instrumenten kann das nämlich im Handumdrehen. Jeden- falls leisten ihm seine geschulten Ohren hierbei bessere Dienste, wie den Herren Neunmalweisen ihre gar nicht vor- genommenen Berechnungen! Oh, would that with the whole invention, or perhaps I had better say, thinking of the ancient Greeks: during the whole re-discovery everything could have been managed as easily the tuning of the new scale steps! Each reasonably experienced keyboard tuner, to wit, can do this in a jiffy. His trained ears anyway will serve him better here than the unperformed calculations serve the Messrs. Wisecracks!
Endlich muß ich das neue System noch gegen einen Vorwurf verteidigen, den merkwürdigerweise nur ich selbst Finally I have to defend the new system against another reproach, which, strangely enough, I alone
[- 44 -]
ihm bisher gemacht habe. Er lautet: Die neuen bichroma- tischen Stufen ergeben sich nicht, wie die alten chroma- tischen, aus dem Ur-Intervall der reinen Quinte; sie sind mithin nur eine künstliche Zutat zum alten System! raised for it so far. It iss: The new bichromatic steps do not, like the old chromatic ones, result from the primal interval of the pure 5th; they are therefore only an artificial addition to the old system!
Zweifellos wäre dies der schwerste überhaupt denkbare Vorwurf - wenn er zuträfe! Aber - es ist damit nicht halb so schlimm, wie es auf den ersten Blick scheint. Erstens nämlich: wenn ich so den geliebten Quintenbau aufführe, so gelange ich von _c_ über g(d?)-a-e-h-fis- cis-gis-dis-ais-eis niemals wieder in ein richtiges _c_, sondern immer nur in ein _his_, und zwar in ein _his_, das merklich höher ist wie die Oktave zu unserem Ausgangs-c. In unserem temperierten System gibt es nun aber für _his_ und _c_ tatsächlich nur *einen* Ton. Der geliebte Quinten- zirkel kann mithin nicht einmal als reele Basis für unser heutiges chromatisches System gelten. Um so weniger braucht ihn sich deshalb eigentlich das bichromatische System unter- schieben zu lassen! Aber zweitens: gerade seiner Mängel wegen nehmen wir nun den Quintenzirkel mit dem größten Vergnügen auch als Erzeuger des Vierteltonintervalls an. Denn: führen wir ihn nur noch einige Quinten über das ominöse _his_ hinaus weiter fort, so *müssen* wir ja schließ- lich auch einmal an einen Ton gelangen, der mit dem ersten _c_ (vom Oktavenunterschied abgesehen) das ersehnte Intervall der bichromatischen Ur-Sekunde bildet. Ich habe mir zwar noch nicht ausgerechnet, die wievielte Quinte dies sein wird, aber einmal muß sie, wie gesagt, kommen. Dies Resultat des Exempels ist jedenfalls mit Sicherheit vor- auszusehen. Also: wie die älteren Kinder, so vermag auch der jüngste Sproß der Familie, das Vierteltonintervall, seine legitime Abkunft vom alten Quintenzirkel-Vater nachzuweisen, und, wenn nicht ebenso *gut*, dann aber ganz gewiß: ebenso *schlecht*! Denn beide: Musik und Mathematik leben ja schon lange in unglücklicher und dazu auch noch recht leicht anfechtbarer Ehe miteinander! Certainly this would be the most serious reproach conceivable - if it applied! But - things aren't half as bad as they seem at first sight. First of all: if I lay out the popular construction in 5ths, I will never again reach another correct C from C via G-D-A-E-B-F#-C#-G#-D#-A#-E#, but always a B#, this B# being noticeably higher than the octave of our original C. Our tempered system, however, actually provides only one tone for B# and C. So the beloved circle of 5ths cannot even be considered the real base of our current chromatic system. Much less does the bichromatic system need it pushed underneath as a foundation! But secondly: exactly for its shortcomings, we love to assume the circle of fifths as the generator of the quarter tone, too. Because: if we only continue it some 5ths beyond the ominous B#, we *must* finally arrive at a tone which forms the desired interval of the bichromatic primal second with the first C (disregarding the octave differences). I haven't yet figured out which 5th this will be, but as I said, it has to come somewhere. This result of the example can be predicted with certainty. So the youngest offspring of the family, the quarter-tone interval, is able to prove its legitimate descendence from the ancient father, the circle of 5ths, too, just like the older children, and if not just as *well*, then quite certainly just as *badly*! For both, music and mathematics, have already been living together in an unhappy and even easily contestable marriage for quite some time!
Nachdem ich somit alle Vorwürfe hinreichend entkräftet Having, I believe, refuted sufficiently all reproaches
[- 45 -]
zu haben glaube, die man dem neuen *System* gemacht, ja: die man ihm wohl überhaupt machen kann, noch ein paar Worte über ein Bedenken, das viele meiner *Klaviatur* gegenüber hegen, nämlich: daß es *ungeheuer schwer* wäre, darauf zu spielen. which have been made against the new *system*, or rather, which could conveivably be made against it, some more words on a doubt many harbor against my *keyboard*, i.e., that it would be *incredibly hard* to play on.
Nun, Worte vermögen hier leider nicht viel auszurichten, es kommt dabei vielmehr alles nur auf den praktischen Ver- such an. Ich kann den Leser deshalb vorläufig nur bitten, mir zu glauben, daß jeder, der mit der alten Klaviatur ver- traut ist (und nur solche Spieler kommen ja zunächst in Frage), sich auch *sofort* auf der neuen Klaviatur zurecht- finden und auch *sofort* die neuen Tasten benutzen kann, bedeuten sie doch für die Finger sozusagen nur eine "Spiel- art" der schwarzen Tasten. Ich kann den Leser ferner nur bitten, mir zu glauben, daß man nach einer Übung von nur wenigen Wochen (im Tonleiter- und Akkordspiel) sogar schon über eine sehr respektable Technik auf der neuen Tastatur verfügt. Von einem Von-grund-auf-neu-lernen-müssen, wie z.B. bei der Jankó-Klaviatur, die ich im übrigen hoch- schätze *), kann hier wirklich auf keinen Fall irgendwie die Rede sein. Wäre es doch so: meine ganze Erfindung hätte alsdann ihren Beruf verfehlt, und ich könnte mich mitsamt meinem Deutschen Reichspatent begraben lassen! Now, unfortunately, words aren't able to correct much here, so it all depends on a practical attempt. So for the time being I can only ask the reader to believe me that everyone who is familiar with the old keyboard (and only such players are eligible at first) also gets along *immediately* on the new keyboard and is also *immediately* able use the new keys, since they only constitute a new "variety", so to say, of the black keys for the fingers. I can also only ask the reader to believe me that after just a few weeks of exercise (in playing scales and chords) one already commands a very respectable technique on the new keyboard. There is no talk at all of having to learn all over again from the start as with e.g. the Jankó keyboard, which in all other respects I highly esteem *). If this should nevertheless be the case: my whole invention would then have missed its purpose, and I could go and be buried along with my German Reichspatent!
--------------

*) Niemand als ich bedauert es mehr, daß diese Klaviatur trotz ihren Vorzügen immer noch nicht allgemein im Gebrauch ist. Denn: viel Kopfzerbrechen hätte mir das bei meiner eigenen Erfindung erspart!

--------------

*) Nobody regrets more than I do that this keyboard is not yet in general use despite its advantages. For it would have saved me many a headache with my own invention!

Wer mir aber das alles nicht so ohne weiteres glauben will (was ich keinem übelnehme, denn ich bin ja halt der Krämer, der seine Ware lobt), dem steht mein Harmonium jederzeit in meiner Wohnung nach vorheriger Anmeldung zur Verfügung. Wer sich jedoch im Vertrauen auf meine Worte an der Hand des Harmoniums gleich eingehender mit dem neuen System befassen möchte, dem baut die Firma Straube in Berlin gern und binnen kurzem genau so ein Instrument, wie ich es besitze (für Österreich und Ungarn liefert meine Harmoniums die K. u. K. Hof-Harmoniumfabrik To whomever does not want to believe me all this too easily (which I do not take badly, being as I am the shopkeeper praising his wares) my harmonium is available at any time in my apartment by appointment. But for them who, trusting my words, would like to deal with the new system directly by means of an harmonium, the Straube company in Berlin will gladly and within a short time build the exact same instrument I have (for Austria and Hungary, the K. u. K. Hof-Harmoniumfabrik Teofil Kotzkiewicz in Vienna supplies my harmoniums).
[- 46 -]
Teofil Kotzkiewicz in Wien), auf Wunsch auch ein noch viel vollkommeneres, mit mehreren Registern usw. usw. Der Preis dafür ist jedenfalls erstaunlich niedrig. Man wolle ferner dabei nicht vergessen, daß man auf dem Instrument ja ohne weiteres auch vierteltonlose Musik, und zwar fast genau wie bisher, spielen kann. If so desired, they can be much more perfect, with several stops etc. etc.. The price for them, to be sure, is amazingly low. Furthermore one should not forget that one can also easily play music without quarter tones on the instrument in almost exactly the same way as before.
Nun möchte ich noch zwei besondere Fälle erwähnen, in denen mir der Vierteltonschritt nicht bloß möglich und sehr wohl angebracht, sondern in denen er mir dem Halb- tonschritt an Schönheit, an Weichheit der Wirkung geradezu überlegen, also einfach: richtiger wie dieser zu sein scheint. In beiden Fällen handelt es sich wieder um bichromatische Wechsel- resp. Nebennoten, mit denen wir im Verlaufe unserer Untersuchungen ja schon einmal zu tun hatten, wenn auch damals von einem anderen Gesichtspunkt aus. Now I would like to mention two special cases, where the quarter-tone step is not only possible and very well suited, but where it seems to me to surpass the half tone step in beauty, in the smoothness of the effect, or simply: where it seems to be more correct than these. Again both cases concern bichromatic changing or neighboring notes respectively, which we already encountered in our investigations before, although at that time from another point of view.
Man spiele also die Tonfolge Db Fis G Ab: So play the tones Db-F#-G-Ab in sequence:
und vergleiche nun damit die Wirkung von Db hoch-fis G Ab: and compare with it the effect of Db-high F#-G-Ab
Ich glaube nicht, daß hier irgend jemand die Wechsel- note _fis_ für richtiger halten wird. I do not believe that anybody will consider the changing note F# more correct here.
Erklären möchte ich dies mit der besseren Anschmieg- samkeit der ausschmückenden *bichromatischen* Note an die Hauptnote. (Zu solchen ausschmückenden Tönen zählen ja sowohl Wechsel- als Nebennote). Jedoch: das wäre eigentlich auch nur ein Wort für ein Phänomen! I would explain this by the greater smoothness when going from the bichromatic ornamental note to the main note. (These ornamental notes include the changing note and the neighboring note). However, that would actually also amount to one word for one phenomenon only!
Nun der andere, mit diesem verwandte Fall. Now the other case, related to this one.
[- 47 -]
Man spiele den Triller _g_ mit _fis_: Play the trill G/F#:
und nun der Triller _g_ mit hoch-fis: and now the trill G/F#:
ferner den Doppeltriller g/es mit fis/d: and also the double trill of G/Eb and F#/D:
und nun wieder den Doppeltriller g/es mit hoch-fis/hoch-d: and again the double trill G/Eb and highF#/highD:
endlich noch den Doppeltriller b/g mit ces/as: and finally the double trill of G/Eb and high-F#/high-D:
und als Gegensatz dazu den Doppeltriller b/g mit tief-ces/tief-as: contrasting it with the double trill Bb/G and deep-Cb/deep-Ab:
Ich meine: in allen diesen Fällen dürfte kaum noch jemand an der Überlegenheit des bichromatischen Trillers zweifeln. Das wäre auch weiter nicht wunderbar, denn auch beim Triller handelt es sich ja um ausschmückende (hier Neben-)Noten, und was von solchen Noten im allge- I think: in all these cases hardly anyone should continue to doubt the superiority of the bichromatic trill. This should not be much of a mystery either, since the trill also is an ornamental (here: neighboring) note, and what is true for such notes in general
[- 48 -]
meinen gilt, hat deshalb wohl erst recht von den schnell auszuführenden Nebennoten des Trillers zu gelten. applies to the neighboring notes of a trill, meant to be executed quickly, with a vengeance.
Ich möchte nun aber eine noch viel weitergehende Be- hauptung wagen, mämlich: daß wir von unseren Sängerinnen und Sängern (übrigens auch von unseren Streichern) beim Triller schon oft Vierteltöne zu hören bekommen haben, und daß diese uns gerade deswegen auf dem Viertelton- Instrument gar nicht mehr sonderlich neu vorkommen. I would like to risk a statement of greater implications now, to wit, that we have already heard quarter tones in trills from our singers (and our strings too, by the way), and that for this reason they do not sound particularly new to us on the quarter-tone instrument.
Suchen wir aber einmal diese kühne Behauptung durch das Experiment zu beweisen. Let us try to prove this bold statement by an experiment, however.
Man singe zu diesem Zweck zuerst den Triller: For this purpose, first sing the trill:
dann den Triller: then the trill:
desgleichen den Triller: also the trill:
und danach den Triller: and then the trill:
Das alles ist gar nicht so schwer, wie man es sich wohl denkt. Wer erst einmal Vierteltöne vom Instrument gehört hat, kann sie auch sofort nachsingen. Und wer, wie Verfasser, den Triller nicht mit nachtigallengleicher Fixig- keit herausschmettern kann, vermag ihn gerade deshalb wieder um so besser auf seine Richtigkeit zu prüfen. All this is not at all as difficult as one might imagine. Whoever has just once heard quarter tones on the instrument can immediately repeat them. And he who, like the author, cannot warble his trills with the speed of a nightingale is the better able for this to check their correctness.
[- 49 -]
Ich meine nun weiter: dieser Versuch muß jedem be- weisen, der noch irgendwie zweifelte, daß der Triller mit dem Viertelton tatsächlich derjenige ist, der uns aus schö- nem und weniger schönem Munde schon meist entgegen- klang. Natürlich kam unseren geschätzten Kolleginnen und Kollegen solches Tun kaum jemals zum Bewußtsein, sie handelten vielmehr immer nur aus dem instinktiven Gefühl heraus, daß die ornamentierende Note mit dem Viertelton anschmiegsamer wirkt wie mit dem Halbton, und daß sie sich um so enger an die Hauptnote anzuschmiegen wünscht, je schneller sie gebildet werden will. Dazu kommt, daß der Triller mit dem Viertelton auch viel leichter zu intonieren ist wie mit dem Halbton, woran niemand mehr zweifeln dürfte, der mit seiner geehrten Kehle nur erst einmal obiges Experiment gemacht hat. In addition, I think that this experiment must prove to everyone who still has any doubts, that the quarter tone trill is usually really the one resounding to us from beautiful and less beautiful mouths already. Naturally such behaviour never reached the conciousness of our revered colleagues, rather it always originated from instinctive feeling that the ornamental note seems smoother with the quarter tone than with the half tone, and that they tend to lean towards the main note the faster they are to be enunciated. Furthermore, the trill is much easier to intone with the quarter tone, which nobody will doubt who just once did above experiment with his honourable throat.
Zum weiteren Belege für die ganz vorzügliche und auch nicht im geringsten überraschende Wirkung der bichroma- tischen Nebennote verweise ich noch auf mein kleines Tanz- stückchen aus obenerwähntem Op. 26: "Wie einst - nur behutsamer". Die Unauffälligkeit der Vierteltöne darin ist so groß, daß man sie sehr leicht geradezu *überhören* kann. Wer es einem Uneingeweihten vorspielen will, mache ihn deshalb vorher darauf aufmerksam, daß ein häufig darin wiederkehrender Pralltriller nach unten niemals mit dem *Halb*ton, also z.B. niemals so: For further evidence of the quite excellent and not in the least surprising effect of the bichromatic neighboring note I also refer on my small dance piece from above-mentioned op. 26: "As Ever - Only More Gently". The inconspicuousness of the quarter tones is in the fact so great that one can practically miss them very easily. Whoever likes to play it for an uninitiated listener might well draw attention to the fact that a frequently recurring mordent there is never executed with the semitone, e.g. never like this:
sondern immer mit dem *Viertel*ton, also immer so: but rather with the quarter tone always, in this way:
[- 50 -]
gebildet ist; um noch eine andere Stelle anzuführen, also niemals so (mit dem Halbton): Citing yet another occurrence, never like this (with the semitone):
sondern stets so (mit dem Viertelton) but always like that (with the quarter-tone)
Nur an *einer* Stelle dieses Stückleins dürften die Vierteltöne besonders auffallen, und zwar handelt es sich dort um eine abwärtssteigende Vierteltonleiter in kleinen Terzen. Only in one place of this little piece may the quarter-tones especially catch ones attention, this being a descending quarter tone scale in small thirds.

previous chapter: Chord and tone sequences based on the system of 24-steps

final chapter: Conclusion


feedback